Birkengewann, August 2009

Offener Brief an den Magistrat: Bebauungsplan Birkengewann

Birkengewann

Die Montagsrunde hat den Bebauungspan Birkengewann wegen erheblicher ökologischer Mängel bereits mehrfach kritisiert – ohne Erfolg. In einem Offenen Brief an den Magistrat im Juli 2009 hat die Montagsrunde gerade die Ausrichtung der Gebäude noch einmal aufgegriffen und sich für eine Änderung des Bebauungsplanes ausgesprochen, Der Offene Brief wurde in der Regionalpresse thematisiert. Allerdings fand Bürgermeister Quilling unsere Argumente nicht überzeugend. In der Offenbach Post vom 01.08.2009 wurde seine Entgegnung wie folgt zusammengefasst: Solaranlagen könnten auch bei Ost-West-Ausrichtung montiert werde, das sei im Stadtgebiet sogar vorherrschend. Außerdem sei mit Albert Speer und Partner eines der profiliertesten Planungsbüros der Republik beauftragt worden. Die Montagsrunde meint dazu: Am Thema vorbei, Herr Bürgermeister! Erstens: Man kann alles montieren, aber zu welchen Kosten? Aufwendige Montagen bei ungünstiger Ausrichtung setzen die Wirtschaftlichkeit der Solaranlagen herab. Zweitens: Was immer auch vorherrschend im Stadtgebiet ist, die Solaranlagen gehören jedenfalls nicht dazu. Nur wenige Anlagen gibt es im Stadtgebiet. Und leider gerade nicht auf öffentlichen Gebäuden. Diese wenigen Anlagen sind nicht aufwendig montiert, sondern nutzen die Nord-Süd-Ausrichtung aus. Und – drittens -, was hilft es, wenn das Planungsbüro profiliert ist, der auftraggebende Magistrat aber nicht. Was übrigens erneut durch die wenig sachkundige Antwort des Bürgermeisters bewiesen wird.

Sehr geehrte Damen und Herren des Magistrats,
wie aus der Presse zu entnehmen ist, soll der Bebauungsplan Birkengewann in der vorliegenden Fassung jetzt in das Umlageverfahren übergehen.
Die Montagsrunde weist diesbezüglich nochmal auf die erheblichen Defizite im Bebauungsplan Birkengewann hin.
Anlässlich eines Treffens der Montagsrunde mit Energieberatern wurde deutliche Kritik am Bebauungsplan zum Birkengewann laut. Es ist nicht nachzuvollziehen, warum im Bebauungsplan Birkengewann ca. 50 % der geplanten Gebäude und fast 80% der Einfamilienhäuser eine Ost-West Orientierung der Dachflächen aufweisen.
Hierdurch wird ein wirksamer Einsatz von Solaranlagen zur Warmwassererzeugung und/oder zur Stromerzeugung verhindert und damit den künftigen Bewohnern eine umweltfreundliche und kostengünstige Energiegewinnung vorenthalten. Mit dem vorgelegten Bebauungsplan erleiden die künftigen Bauherren und Mieter Wertverluste durch höhere Heizkosten, durch höhere Baukosten und deutlich geringere Verkaufs- und Vermietungserlöse. Ja sogar Fördermittel und Zuschüsse können nicht mehr in vollem Umfang in Anspruch genommen werden.
So weist der Verband privater Bauherrn (FAZ a. S. vom 26.04.2009) darauf hin, dass eine falsche Dachausrichtung eine Förderung nach KfW 60 (jährlicher Verbrauch für Warmwasser und Heizung von 60kWh/m²), die sich im mittleren fünfstelligen Bereich bewegt, praktisch ausschließt.
Durch die von der Stadtplanung vorgelegte Ost-West Ausrichtung ist der Bau von Passivhäusern oder gar Energie-Plus-Häusern zu vernünftigen Preisen nicht mehr möglich. Gerade diese Haustypen gelten künftig als Standard für Neubauten. Vorbildlich sind die kommunalen Projekte der benachbarten Stadt Frankfurt im Hinblick auf kostengünstiges und nachhaltiges Bauen, auf Klimaerwärmung und Ressourcenverbrauch.
Selbst wenn zunächst auf eine Solaranlage verzichtet wird, bietet die optimale Gebäudeausrichtung passive solare Wärmegewinne von bis zu ca. 35%, die allein durch die Besonnung der Fassaden, Dachflächen und Fenster generiert werden und somit ohne zusätzliche Investitionen eine Verringerung der Heizkosten bewirken. Zudem kann jederzeit eine effiziente solare Anlage nachgerüstet werden.
Auch erlaubt die Ausrichtung nach Süden eine wesentlich bessere Nutzung der Freiflächen. Neben der Sonneneinstrahlung wird vor allem ein wirksamer Fluglärmschatten erzielt, da die An- und Abflugstrecken im Norden des Areals verlaufen. Auch auf einer Südterrasse lässt sich die abendliche Westsonne ebenso genießen wie die aufgehende Sonne morgens. Bleibt es bei der bestehenden Planung, sind die Hälfte der Gärten im Gebiet WA1, (südlich der Offenbacher Straße) sogar nur nach Osten orientiert. Westsonne strahlt dort allenfalls im Sommerhalbjahr nur straßenseitig ein; in den anderen Jahreszeiten verschatten die gegenüberliegenden Gebäude durch die tiefstehende Sonne.
Zudem sind in diesem Gebiet alle Gärten von der wesentlich höheren Wohnblockbebauung (3-4 geschossig) entlang der Offenbacher Straße aus deutlich einsehbar. Auch dieser Mangel wäre durch eine Nord-Süd-Ausrichtung zu vermeiden.
Eine konsequente Nord-Süd-Ausrichtung der Gebäude erspart zugleich Energieaufwand, Klima- und Umweltbelastung, senkt die Baukosten, steigert die Werthaltigkeit der Immobilien, erlaubt die Nutzung von Fördermitteln, ermöglicht zukünftige nachhaltige Bauformen, schützt vor Fluglärm und bewahrt die Intimität der Gärten im vorgenannten Bereichen.

Behörden, Planer, Energieexperten und die Volksvertreter aller Fraktionen sind gefordert, die offensichtlichen Mängel zu beseitigen und den Bebauungsplan so zu überarbeiten, dass zum Vorteil der künftigen Bewohner und des Ansehens der Stadt ein Wohnquartier mit zeitgemäßen und nachhaltigen technologischen wie ästhetischen Qualitäten entstehen kann.

Die Montagsrunde



PS:
In einer zwischenzeitlichen Stellungnahme hat das federführende Planungsamt zwar die von der Montagsrunde beschriebenen Punkte als fehlerhafte Planung anerkannt, verteidigt jedoch in der Frankfurter Neuen Presse die Ost-West Gebäudestellung als Gestaltungsmittel zur Erzielung von städtebaulicher Vielfalt!

Eine städtebauliche Vielfalt schließt eine Nord-Süd Gebäudestellung überhaupt nicht aus. Gerade der vorliegende Bebauungsplan weißt hinsichtlich der städtebaulichen Vielfalt enorme Defizite aus. Auch dies ließe sich korrigieren. Bei ausreichender planerischer Leistung lassen sich diese Punkte, auch hinsichtlich der Erschließungskosten hervorragend verbinden.
Die Montagsrunde bittet den Magistrat vor der Umlegung mit Hilfe des mittlerweile auch bei Speer und Partner angesiedelten Wissens den Bebauungsplan zum Wohle der Bürger zu überarbeiten.

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

C/o Werner Geiss
Taunusstraße
Neu-Isenburg