



Entwicklung der Neuen Mitte , 16.04.2012
Masterplan für Neu-Isenburg
Bei der Gestaltung der Neuen Mitte um das ehemalige Güterbahnhofsgelände sollen die Bürger von Anfang an beteiligt werden. Die Montagsrunde hat ihre vielen Beiträge dazu mal in einem Gesamtkonzept zusammengefasst, welches am 16.04.2012 von der Offenbach Post veröffentlicht wurde.
Grundlage des o.g. Masterplans ist eine angehängte
ausführliche Analyse des Entwicklungspotentials des gesamten Gewerbegebiets-Süd von 2008 aus dem Archiv der Montagsrunde und ein umfassendes Plädoyer für eine Straßenbahn in Neu-Isenburg. (siehe: Verkehr konkret / Straßenbahn in Neu-Isenburg)
Mehr bieten als Parkplätze
Neu-Isenburg (kd) - Die eher grün orientierte Bürgerinitiative „Montagsrunde“ sieht sich ausgerechnet durch die Industrie- und Handelskammer (IHK) Offenbach bestätigt. „Die Kaufkraft in der Hugenottenstadt sinkt.“
Dies hänge zusammen mit der mangelnden Attraktivität als Wohnstandort. Die Montagsrunde bezieht sich auf die kürzlich vorgestellte IHK-Studie „Zukunftsperspektiven für die Region Offenbach“. Darin wird unter anderem die Entwicklung der Kaufkraft in den vergangenen Jahren dargelegt. Die liegt in Neu-Isenburg zwar weit über dem Bundesdurchschnitt, hat aber nichtsdestotrotz abgenommen.
„Zu Recht mahnt die IHK Offenbach eine bessere Stadtentwicklung für Stadt und Kreis Offenbach an“, sagt Werner Geiß für die Montagsrunde. „Nicht nur eine ausgeprägte Stadtmitte, auch die Gestaltung attraktiver Wohnquartiere sowie eine zukunftsweisende Verkehrsanbindung prägen heute das Profil einer Stadt.“
Wohnqualität in Frage gestellt
In der Hugenottenstadt sei die Attraktivität als Wohnstandort offenbar geschwunden. „Und das trotz – oder wegen? – der stetig steigenden Gewerbeansiedlung.“ Eingezwängt zwischen „lautstarker Wertschöpfung der Luftfahrt im Norden und dem wachsenden Gewerbegebiet im stillen Süden“ könne die Wohnqualität wohl nicht recht überzeugen. „Zumindest nicht jene gebildete Mittelschicht, die doch so sehr für die erfolgversprechende Kreativwirtschaft gesucht wird. Solchen Leuten muss eine Stadt mehr bieten als Vereinsleben und genügend Parkplätze.“
Der von der IHK geforderte „Masterplan Stadtentwicklung“ umschreibe genau das, was die Montagsrunde wolle. „Auf diesen smarten Begriff sind wir einfach nicht gekommen“, geben die streitbaren Bürger neidlos zu. Sie haben eine ganze Reihe Ideen, die sich ihrer Ansicht nach zu einem „Masterplan“ zusammen fügen könnten:
- Verlagerung des Autoverkehrs auf ein Schienennetz, dessen Kern die Verlängerung der Straßenbahnlinie 14 durch die Frankfurter Straße bis Dreieich bildet.
- Verkehrsberuhigte Flaniermeile in der Frankfurter Straße, die als urbanes Bindeglied zwischen Altstadt und neuer Mitte im Süden fungiert.
- Konsequentependeln: Die künftigen Wohnquartiere sollten in Kooperation mit dem Gewerbe vorrangig von jenen Arbeitnehmern besiedelt werden, die bislang pendeln müssen. Die Ausgaben für den Sprit Realisierung der Siedlung „Birkengewann“ nach Passivhaus-Standard. Nach Rückfrage beim Regierungspräsidium sieht die Montagsrunde Spielraum zur Optimierung des bereits verabschiedeten Bebauungsplans.
- Ausbau des Stadtquartiers Süd zu einer veritablen Stadtmitte mit Museum, höherer Bildungsanstalt, Forschungsinstitut, Bibliothek, Ateliers, Wissenschafts- oder Medienpark.
- Zeitgemäßes Wohnen im Süden: Nicht Investoren und Bauträger, sondern die künftigen Bewohner selbst sollten nach Ansicht der Montagsrunde in Baugruppen und Genossenschaften individuellen Wohnraum schaffen. Vorgabe wäre eine verdichtete, klimaschonende Architektur, ergänzt durch Infrastruktur wie Kitas und Einzelhandel sowie Mehrgenerationenhäuser und Sozialwohnungen.
- Wohnen statt würden höhere Mieten am Arbeitsplatz deutlich übertreffen.
- Expressradwege nach Frankfurt und ins Umland
- In enger Abstimmung mit Frankfurt und dem Regionalverband Entwicklung zur „Green City“.
Gerne greift die Runde das Angebot der Bürgerbeteiligung zur Gestaltung des Stadtquartiers Süd auf und meldet sich jetzt schon zu Wort. „Wir wünschen dem Magistrat den Mut, auch mit unkonventionellen Modellen ein Profil für die Stadt zu erarbeiten“, so Geiß.
Montagsrunde
angehängt:
Planungsideen zum Güterbahnhofsareal, Agfagelände und Gelände der Städtischen Dienstleistungsbetriebe mit dem Ziel, modellhaft eine entsprechende Entwicklung im gesamten Gewerbegebiet-Süd anzustoßen
Ausgangslage:
Bevölkerungs- und Siedlungsstruktur
Gesamteinwohnerzahl ca. 35.000
ca. 9.000 Auspendler in benachbarte Großstädte: oft Eigenheimbesitzer
ca. 18.000 Einpendler: suchen nur die weitläufigen, von der Wohnstadt abgegrenzten Gewerbegebiete auf
ca. 12.000 leben und arbeiten in Neu-Isenburg
großer Anteil bodenständige Bevölkerung: traditionell verwurzelt, konservativ, viele Handwerker, Rentner
Parlament und Stadtverwaltung
schon lange bestehende konservative Mehrheit
Infrastruktur und geographische Bedingungen
- Bebauung zusammenhängend (abgesehen von zwei Enklaven)
- zwei Gewerbegebiete
- angrenzend an die Bebauung rundherum von Wald umgeben
- um den Waldgürtel herum umgeben von Autobahnen und Schnellstraßen (vier Autobahnauffahrten direkt an den Stadtgrenzen)
- großes attraktives, florierendes Einkaufszentrum in Stadtmitte
- auffallend viele Restaurants, Pizzerias und Kneipen
- direkte Nachbarschaft zum Flughafen und zur Stadt Frankfurt (jeweils 10 Autominuten entfernt)
positive Auswirkungen
Außergewöhnlich verkehrsgünstige Lage befördert Firmenansiedlung in den Gewerbegebieten (meistens Büros) und führt zu hohen Gewerbesteuereinnahmen.
negative Auswirkungen
- starke Verlärmung durch die Einflugschneise des Flughafens und die Autobahnen
- hohes Verkehrsaufkommen durch Ein- und Auspendler und Durchgangsverkehr mit Verlärmung und Luftverschmutzung im Gefolge
- öffentlicher Raum dient fast gänzlich als Abstell- und Bewegungsfläche für Autos und lädt nicht zum Flanieren und Erholen ein
- Anziehungskraft des Einkaufszentrums, der Einkaufsmöglichkeiten in Frankfurt und auf dem Flughafengelände zieht stark Käufer von den Einzelhandelsgeschäften in den beiden Haupteinkaufsstraßen ab, was zu Ladenschließungen und fortschreitender Verödung führt.
Veränderungspotenziale
- Auspendler nutzen Neu-Isenburgs Infrastruktur eher wenig (Schlafstadtfunktion).
- Einpendler haben wenig Bindung an die Stadt Neu-Isenburg und deren Infrastruktur.
- Bodenständige Bevölkerung engagiert sich in dem vielfältigen Vereinsleben aber kaum darüber hinaus.
- Die ortsansässigen kapitalstarken Unternehmen haben kaum kulturelle Bindung an die Stadt entwickelt und engagieren sich wenig durch Sponsoring oder Kulturstiftung.
- Parlament und Stadtverwaltung sehen sich vorrangig in der Verantwortung, die Gewerbesteuereinnahmen zu stabilisieren und folgern daraus die Notwendigkeit, alle Gewerbeflächen zu erhalten und nach Möglichkeit verdichtet bebauen zu lassen, den Autoverkehr in der Stadt noch zu beschleunigen und genügend Parkraum zu schaffen. (siehe Vorgaben für den städteplanerischen Gestaltungsvorschlag des Büros Albert Speer und Partner auf Seite 12 im ersten Absatz)
- Einzelhändler beklagen zwar den Kaufkraftabfluss und drängen auf unterstützende Straßengestaltung, aber wehren sich ängstlich gegen Einschränkung des Durchgangsverkehrs und des Parkraums vor dem Laden.
Da der öffentliche Raum in erster Linie kommerziellen Belangen und dem Mobilitätsbedürfnis von Gewerbe und Einwohnern untergeordnet wird, kann keine urbane Struktur entstehen. Da sich die Wohnbevölkerung hiermit überwiegend arrangiert – auch durch Nutzung der urbanen Qualitäten von Frankfurt – und aufgrund der hohen Gewerbesteuereinnahmen entsteht kein Veränderungsdruck.
Ansatzpunkte für eine Umsteuerung
Um die Lebensfähigkeit einer Stadt zu sichern, ihre Attraktivität zu erhöhen und urbane Lebendigkeit zu fördern, reicht es nicht aus, das Gewerbesteuereinkommen zu sichern.
Ebenso wenig reicht es aus, Investoren und dem Immobilienmarkt die Steuerung zu überlassen, was in der Regel auf den Bau von Büros hinausläuft, die größte Renditen versprechen.
Die oben beschriebene Blockadesituation müsste umgekehrt werden. Auf den Autoverkehr bezogen, würde das z.B. eine Reduzierung des innerstädtischen Verkehrs erfordern, was Lärm- und Abgasbelastung vermindern, die Lebensqualität erhöhen und so für Einpendler zumindest einen Beweggrund schaffen würde, sich hier anzusiedeln, wodurch sich wiederum der Autoverkehr reduzieren würde. Außerdem würden die Neubürger die Kaufkraft erhöhen, so tendenziell dem Ladensterben entgegenwirken und damit wiederum attraktivitätssteigernd wirken.
Der innerstädtische Verkehr ließe sich mit großem Wirkungsgrad leicht reduzieren, wenn die das Stadtgebiet eng einschließenden Schnellstraßen und Autobahnen als Umgehungsstraßen fungierten, zumal vier Autobahnauffahrten direkt an den Stadtgrenzen liegen. Pförtnerampeln, Temporeduzierung auf 30 km/Std. flächendeckend oder Shared-Space-Modell (siehe erklärenden Anhang zum Text 1) wären Instrumente, die kurzfristig umgesetzt werden könnten. Aufgrund der geringen Ausdehnung des Stadtgebietes - der größte Radius beträgt ungefähr zwei Kilometer - läge der Zeitverlust für die Autofahrer im Schnitt bei 5 Minuten.
Dass solch naheliegende Pläne nicht in Erwägung gezogen werden, liegt offensichtlich an Phantasielosigkeit, Risikoscheu und, wie erwähnt, am fehlenden Handlungsdruck.
Eine weitere Ansatzmöglichkeit bieten frei werdende Gewerbeareale, auf denen durch Planung einer verdichteten Wohnbebauung gemischt mit Gewebebebauung eine Änderung angestoßen werden könnte.
Gewerbegebiet-Süd
Die Stadt Neu-Isenburg hat eine städtebauliche Voruntersuchung vom Büro Albert Speer und Partner ausarbeiten lassen, die für diese Gebiet fast ausschließlich Büro- und Gewerbebebauung vorsieht. (Seite 12, Absatz 1) Eine solche Bebauung würde an der oben beklagten Blockadesituation nichts ändern, sondern sie im Gegenteil auf Jahrzehnte hinaus zementieren.
Mit der Fluglärmbelastung spricht ein noch schwerwiegenderer Grund gegen diese Bürobebauung. Ausgerechnet das ruhigste Gebiet von Neu-Isenburg, weit entfernt von der Einflugschneise und den Autobahnen, wäre damit einer Wohnbebauung vorenthalten. Dem Einwand, dass für Gewerbeansiedlung auch keine alternativen Flächen zur Verfügung stünden, soll am Schluss etwas entgegengesetzt werden. (siehe erklärenden Anhang zum Text 2)
Aber ungeachtet der Verfügbarkeit von Gewerbeflächen erfordert die zentrumsnahe Lage des Gewerbegebiets Süd, dass freie Areale unbedingt einer Mischnutzung mit hohem Wohnanteil zugeführt werden müssen, um endlich die urbanen Qualitäten zu erzielen, die der Stadt definitiv fehlen. Wenn urbane Dichte angestoßen werden soll, dann geht das nur hier.
Für alle frei werdenden Flächen in diesem Gebiet schlagen wir deshalb vor:
- Wohnen, Arbeiten, Einkaufen, Schule, Kultur und Grün in angemessenen Anteilen in dichter Bauweise bei ökologischer Flächennutzung, eine Stadt der kurzen Wege, Wohnen und Arbeiten am selben Ort.
- Raum für eine vielfältige Bevölkerungsstruktur und Lebensgestaltung/ mehr öffentlichen Raum für Kultur und zum Verweilen/ Spielplätze, kleine Sportmöglichkeiten und Grünanlagen schaffen
- Attraktivität der Bebauung durch Architektenwettbewerbe steigern und so Identität stiftendes Stadtbild schaffen
Diese Maßnahmen würden zu einer stärkeren Verwurzelung der gesamten Bevölkerung und stärkeren Bindung des Gewerbes an die Stadt führen.
Güterbahnhofsgelände
Die Hauptfunktion dieses Geländes sollte die Verbindung der zukünftigen mit der bestehenden Bebauung sein. Dafür müsste es weitgehend als öffentlicher Raum gestaltet werden, eventuell teilweise als Parkanlage. Der Hauptzielsetzung folgend, könnte die Endhaltestelle der neuen Westtangente als Warte-Kulturhalle konzipiert werden. Die Zukunft des Kunstbahnhofes auf diesem Gelände sollte gesichert werden.
Agfa-Gelände, Gelände des Dienstleistungsbetriebes und des Branntweinmonopols
Die Gebäude des Branntweinmonopolgeländes sollten weitgehend als Industriedenkmäler erhalten werden; das Hauptgebäude eventuell als kommunales Kino.
Alle drei Areale sollten genutzt werden, um beispielhaft eine Bebauung anzustoßen, wie sie oben für das ganze Gewerbegebiet-Süd vorgeschlagen wird.
Bebauung: verdichtet, mehrgeschossig, teilweise Arkaden (analog Nicolai-Viertel in Berlin); Gewerbe und Einkaufsläden hauptsächlich im Erdgeschoss (Passanten können in den Arkadengängen zuschauen), Wohnen in den Obergeschossen (Schaffung von preiswertem bis gehobenem Wohnraum, großen und kleinen Nutzungseinheiten zur Durchmischung). Gefördert werden sollten der Bau von energieautarken Gebäuden mit Solaranlagen, Regenwassernutzung, Fassaden- und Dachbegrünungen und die Verwendung möglichst biologische Baustoffe.
Verkehr: Modellhaft sollte das schon erwähnte „Shared Space“-Konzept eingeführt werden.
Wir werden versuchen, Unterstützung für die skizzierten Planungsideen in der Bevölkerung finden.
1. erklärender Anhang zum Text
Beim Shared-Space-Verkehrsmodell nutzen alle Verkehrsteilnehmer den gleichen Straßenraum. Es gibt also z.B. keine Bürgersteige und alle haben die gleichen Rechte. Eingeführt wurde es in manchen Städten hauptsächlich, um die Verkehrssicherheit zu erhöhen. Dadurch, dass alle sehr umsichtig aufeinander achten müssen, um sich gegenseitig nicht zu gefährden, stellt sich dieser Effekt ein. Autofahrer können in der Regel natürlich nur Schrittgeschwindigkeit fahren.
2. erklärender Anhang zum Text
Denkanstoß zu den drängensten städtebaulichen Engpässen in Neu-Isenburg
Folgende Engpässe sind gemeint:
- Die Summe der Gewerbeflächen in Neu-Isenburg soll erhalten bleiben. (Sorge der Stadt)
- Angrenzend an die zentrale IZ-Kreuzung soll verdichtete Wohnbebauung errichtet werden. (Vorschlag der Montagsrunde)
- Neu-Isenburg kann keine zusätzlichen Baugebiete erschließen. (Umliegender Wald- und Auengürtel sollen nicht angetastet werden)
- Das Wohngebiet im Nordwesten unter der Einflugschneise leidet extrem unter dem Fluglärm und dem Autobahnlärm. Der Kampf gegen den Flughafenausbau und für ein Nachtflugverbot ändert an dieser Lärmbelastung nichts oder nur wenig und das für eine lange, lange Zeit.
So paradox es klingt, birgt gerade dieser endlos erscheinende Zeithorizont eine Lösung für die aufgzählten teilweise gegeneinanderstehenden Probleme.
Warum fasst man nicht für die entferntere Zukunft eine Nutzungs-Rochade für das verlärmte Wohngebiet und das ruhig gelegene Gewerbegebiet-Süd ins Auge.
Auf diese Weise könnte men alle vier Probleme an eine Lösung heranführen:
Die Gewerbeflächen würden nicht reduziert sondern getauscht.
Durch verdichtete Wohnbebauung angrenzend an die zentrale IZ-Kreuzung würde zusätzlicher Wohnraum geschaffen und das in zentraler und trotzdem ruhiger Lage.
Das ist natürlich nur eine Idee für eine langfristige Entwicklung, die nur schrittweise umzusetzen wäre. Aber der erste Schritt müsste „heute“ getan werden.