Sozialer Wohnungsbau in Neu-Isenburg

Beitrag zur Berichtigung des Urteils des Publikums über die Dringlichkeit der Schaffung sozialen Wohnraums in der Stadt Neu-Isenburg Ende des Jahres 2019.

 

An vielen Orten in Deutschland beschäftigen sich die Zivilgesellschaft, die Politik und Experten jeder Art mit der Versorgung der Bevölkerung mit bezahlbarem Wohnraum vor allem in den Ballungsräumen. Neu-Isenburg bildet da keine Ausnahme. Unseres Erachtens fehlt es aber an einer Gesamtdarstellung der Frage vor Ort. Es ist zu beobachten, dass zum Beispiel die beachtlichen Initiativen der SPD- Fraktion und der Fraktion der Linken zur Schaffung bezahlbarer Wohnungen im örtlichen Stadtparlament nicht diejenigen erreicht, an die diese Initiativen eigentlich zu adressieren sind. Die Sachargumente bleiben im Debattenzirkel der Stadtverordnetenversammlung gefangen. Dies geschieht auch mit den Gegenargumenten, die von dem größeren Teil der Stadtverordneten vertreten werden, nur schadet es da weniger, denn mehr oder weniger wird hier der Status quo vertreten. Das Hin und Her scheint sich im wiederholenden, der Sache nichts neues Beitragendes zu erschöpfen. Diesem beklagenswerten Zustand versucht dieser Beitrag abzuhelfen. Obwohl wir eine feste Meinung haben, wollen wir gleichwohl niemanden katholisch machen. Wir hoffen allerdings, dass er die Debatte befreit, sie verbessert. Er versteht sich daher nicht als besserwisserisch, sondern ist offen für Kritik und ein Weiterdenken, wo er unzulänglich oder zu ergänzen ist.

Der Ortsverband der Grünen/Bündnis 90 hat sich nun fast zwei Jahre lang mit dem Thema der sozialen Wohnraumförderung in Neu-Isenburg auseinandergesetzt, in vier Sitzungen des Ortsverbandes ist das Thema diskutiert worden. Die Montagsrunde hat dieses Thema auf die Tagesordnung setzen lassen. Die Montagsrunde hat in den Ortsverband verschiedene Arbeitspapiere eingebracht. Eine einheitliche Meinung des Ortsverbandes wurde nicht gefunden. Eine Auswahl dieser Arbeitspapiere wird nun auf diesem Wege veröffentlicht.

Der erste Beitrag beschäftigt sich mit der Wohnungslage im Kreis Offenbach und wird heruntergebrochen auf die Lage vor Ort:

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Auswertung des Berichts des Instituts für Wohnen und Umwelt in Darmstadt vom 22.10.2018 zur „Wohnsituation und den Wohnraumbedarf im Landkreis Offenbach bis zum Jahre 2030.

 


Neu-Isenburg im Landkreis Offenbach


Neu-Isenburg ist danach im Kreisvergleich ein überdurchschnittlich städtisch geprägtes Wirtschaftszentrum mit großem Einzugsbereich als Arbeitsstandort und hohem Anteil an Dienstleistungsbeschäftigten. Die Wohnungsneunachfrage der letzten Jahre war vor allem durch Zuzug von Arbeitskräften und von Bildungswanderung geprägt, dadurch ist die Altersstruktur der Haushalte relativ jung und der Anteil ausländischer Bevölkerung hoch. Bei niedriger Arbeitslosenquote ist das Preisniveau auf dem Wohnungsmarkt aufgrund der guten Arbeitsmarktlage durch eine hohe unbefriedigte Nachfrage relativ hoch. Der im Kreisvergleich geringe Anteil an Einfamilienhäuser und an privaten Mietwohnungsanbietern unterstreicht den städtischen Charakter des Standorts. Der hohe Anteil des öffentlich geförderten Wohnungsbaus ist Folge der Präsenz öffentlicher und genossenschaftlicher Vermieter (vgl. ebd., S. 114).



Mietpreisentwicklung.

Zwischen den Jahren 2008 bis 2017 erhöhten sich die Mieten in Neu-Isenburg um etwa 30%. Sie liegen im Jahre 2017 in Neu-Isenburg bei über 10,- €/qum im Schnitt bei Neuvermietungen (ebd. S. 12).



Entwicklung des Wohnraumbedarfs.

Im Landkreis Offenbach geht die Projektion von einer Steigerung der Bevölkerungszahl bis zum Jahre 2030 um 5 % auf 365 Tausend Einwohner aus.  Deswegen müssten im Teilraum 1 (Neu-Isenburg, Dreieich, Egelsbach u. Langen) allein bis 2020 eintausend Wohnungen im Jahr gebaut werden, tatsächlich sind es nur 326.

 

 

Insgesamt übersteigt somit der kurzfristige jährliche Bedarf die aktuellen Fertigstellungen (ebd. S. 13). Bei der Wohnungsversorgungs-quote (je Haushaltsmitglied ein Wohnraum) sind im Teilraum 1 jetzt bereits 14% Haushalte unterversorgt, dies betrifft gerade große Haushalte.

 


Anzahl der registrierten Wohnungssuchenden mit Wohnberechtigungsschein im Lk. OF.

3.300 Haushalte = 100 %, davon mit Transferleistung 1.535 = 47 % ( Ausgangswert 2007=42 %) (ebd. S. 97).

Projektion der zukünftigen Bestandsentwicklung öffentlich geförderter Wohnungen (wg. Herausfallen aus der Sozialbindung) in Neu-Isenburg.

(Jahr) 2017 = 894  //  2020 = 820  //  2025 = 763  //  2030 = 599  (ebd, S.102)



Projektion dieser Entwicklung auf den Landkreis Offenbach.

 

Soweit nicht eine Neuförderung oder eine Bindungsverlängerung erfolgt, wird sich bis zum Jahre 2030 durch das Auslaufen der Sozialbindungen die Gesamtzahl der geförderten Mietwohnungen im Landkreis Offenbach um etwa 1.100 auf 2.500 reduzieren, was einem Rückgang um 30 % entspricht. Würde eine kreisweite Förderquote von 3 % am Wohnungsbestand angestrebt, entspräche dies eine Sollzahl von 5.000 Wohnungen. Nach dieser Maßgabe hat der Teilraum 1 derzeit eine Quote von 2,8 %, der Teilraum 2 (Dietzenbach, Heusenstamm, Mühlheim, Obertshausen, Rodgau, Rödermark) nur eine von 1,7 %. Die o.g. Sollzahl würde die Erstellung von künftig kreisweit 80 – 200 Wohnungen im Jahr bedeuten Dieser Zahlenkorridor erklärt sich aus der unsicheren Bestandsentwicklung (neue Wohnungen und/oder Verlängerung der Sozialbindung im Bestand) (ebd. S. 15).


Aktivwerden des Landes?

In der Koalitionsvereinbarung der schwarz/grünen Landesregierung vom Dezember 2018 sollen für die Jahre 2019 bis 2024 insgesamt 2,4 Milliarden € für etwa 22 Tausend Wohnungen in Sozialbindung bereitgestellt werden. Hiermit soll der Wohnbedarf für 66 Tausend Menschen befriedigt werden. Die Vereinbarung spricht ausdrücklich „vom Bau der Wohnungen“. Am Ende des Berichtszeitraums gab es in Hessen landesweit 82.316 Wohnungen in Sozialbindung (ebd, S. 100).

 

Anzumerken ist, dass der Bericht des Instituts auf Erhebungen beruht, die in den Jahren 2016/2017 gewonnen wurden. Die Preise für Neuvermietungen haben seitdem einen dynamischen Verlauf nach oben genommen und ein Ende ist nicht abzusehen. So werden bei Neuvermietungen im Baugebiet „Birkengewann“ nicht unter 12 € pro Quadratmeter genommen. Rechnet man die Nebenkosten noch hinzu, kommt man auf 14 bis 15 € Warmmiete. Dies gilt für die Wohnungen der GEWOBAU, die unter den freifinanzierten Wohnungen eher Mieten am unteren Skalenrand nimmt. Geringverdienende kommen da nicht mehr zum Zuge. Wer sind im Übrigen Geringverdienende? Etwa 50% der steuerpflichtigen Neu-Isenburger haben im Jahre 2014 ein Bruttoeinkommen unter 28 Tausend Euro im Jahr, die Mehrzahl dieser Gruppe erheblich darunter.  Und im Neubaugebiet „Stadtquartier Süd“ sind zwischenzeitlich 14,- € pro Quadratmeter Kaltmiete im Gespräch.

In der Debatte wird oft keine Unterscheidung zwischen Bestandsmieten und Neuvermietungen gemacht. Bestandsmieten, also die Mieten für langjährige Mieter, nehmen an der dynamischen Steigerung der Mieten nicht in dem Maße teil, wie es Wohnungssuchende bei Neuvermietungen trifft. Die letztgenannte Gruppe erfasst der Angebotsmarkt mit voller Wucht.

Wenn schon die „Normalverdiener“ – jedenfalls bei Neuvermietungen - erhebliche Mieten zahlen müssen, wie ist es dann um jene bestellt, die auf öffentlich geförderten Wohnraum angewiesen sind? Dies haben wir in einem Thesenpapier im April 2019 zusammengefasst.

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Thesen zu dem Stand und den Aufgaben für eine Versorgung der Bevölkerung mit öffentlich gefördertem Wohnraum in Neu-Isenburg.

 


1.

Die Anzahl öffentlich geförderter Wohnungen in Neu-Isenburg hat seit dem Jahre 2013 stetig abgenommen und wird im Jahre 2030 prognostisch seinen vorläufigen Tiefstand erreichen. Dieser Entwicklung gilt es mit geeigneten Maßnahmen entgegenzutreten. Der Ortsverband sollte geeignete Strategien diskutieren.

Grundsätzlich sollten drei Szenarien unterschieden werden:

In dem Bericht des IWU wird eine Förderquote von 3 % am Gesamtbestand genannt. Es wird betont, dass diese Zahl die Aufgabe einer bloßen Rechnungsgröße hat.  Im Bericht wird betont: Der Bedarf an Sozialwohnungen lässt sich nicht isoliert empirisch begründen, sondern ist auf der

Grundlage von Versorgungsstandards und zu fördernden Zielgruppen normativ zu begründen. Zum Bedarf: Ende 2016 haben allein in Neu-Isenburg etwa 150 Haushalte – d.h. 300 Personen - mit Wohnberechtigungsschein eine Bleibe gesucht; nur etwa 55 hatten im Jahre 2016 erfolgreichen Zugang zu freiwerdenden Sozialwohnungen. Bereits im Jahre 2017 wurden 166 Wohnberechtigungsscheine ausgestellt. Schließlich ist zusätzlich noch der Begriff des „bezahlbaren Wohnens“ zu beachten. Dieser ist wichtig für die Bevölkerungsgruppe, die wegen ihres Einkommens keinen Anspruch auf einen Wohnberechtigungsschein mehr hat, aber nicht so viel verdient, dass sie am freifinanzierten Wohnungsmarkt ohne weiteres zum Zuge kommt.

 


2.

Es ist festzustellen, dass der Bestand an öffentlich gefördertem Wohnraum im Jahre 2017 nur knapp der 4 % Rechengröße an der Gesamtzahl der Wohnungen in Neu-Isenburg entspricht. Erschwerend kommt hinzu, dass auch aktuell eine stark abnehmende Tendenz im Bestand droht. Um es klar zu sagen:  Das 3 % -Ziel ist nicht aussagekräftig. Es ist weder eine Lösung für den Bedarf noch für das sozialpolitische Ziel für bezahlbaren Wohnraum. Die von der Stadt angestrebte Erhaltung öffentlich

 

geförderter Wohnungen könnte nach dem derzeitigen Stand im günstigsten Fall allenfalls eine weitere Reduzierung verhindern. Dabei ist nicht ersichtlich, dass die von dem Land zur Verfügung gestellten öffentlichen Mittel wegen ihrer Volumenbegrenzung diesen Bestand vermehren könnten (nur 2,4 Milliarden bis zum Jahre 2024, mithin allenfalls bestandserhaltend). Insgesamt führen diese Strategien nicht zur gebotenen Wohnraumversorgung für den Bedarf und dem Bedürfnis nach bezahlbarem Wohnraum.

 

 

 


3.

Öffentlich geförderter Wohnraum steht vor allem Einkommensbeziehern im unteren Einkommensbereich zur Verfügung. Lediglich 47 % der Sozialwohnungen werden von Empfängern von Transferleistungen gehalten. In Neu-Isenburg beziehen etwa 3000 Personen Hartz IV (Hauptgruppe der Bezieher von Transferleistungen). Dies macht den unterhälftigen Anteil der Personen mit Transferleistungen in Sozialwohnungen auch in Neu-Isenburg plausibel.

4.

Nach § 17 des Hessischen Wohnraumförderungsgesetzes wird ein Wohnberechtigungsschein von der Gemeinde erteilt, wenn das Gesamteinkommen des Haushalts nach § 5 Hessisches Wohnraumbindungsgesetz nicht überschritten wird. Die Anwendung von Härteklauseln und wohnungspolitischen Bedarfs können die Einkommensgrenzen unbeachtlich werden lassen. Besondere Bedarfe, die gesetzlich gegeben sind, haben die gleiche Wirkung.

 

 

Die Einkommensgrenzen derzeit (04/2019) nach Nettoeinkommen jährlich sind wie folgt:

Einpersonenhaushalt                                     =   15.572, -€ (ca 1.297,- € monatl.)

Zweipersonenhaushalt                                  =   23.622,- € (ca 1.968,- € monatl.)

Zzügl. jede weitere Person                            =    5.370, - €

Zzügl. je Kind                                                 =       650, - €

 


5.

Bei dem Zielkonflikt zwischen der Versorgung der Bevölkerung mit frei finanziertem Wohnraum und öffentlich gefördertem Wohnraum wird sich in Neu-Isenburg voraussichtlich eine Schieflage zuungunsten sozialen Wohnraums verstärken, wenn nicht entschieden entgegengesteuert wird. Wegen des stetig steigenden Mietzinsniveaus um 30 % zwischen 2008 und 2017 und dem Nachfragestau nach bezahlbarem Wohnraum für alle unter 1) genannten Gruppen entsteht eine sozialpolitisch nicht hinnehmbare Unterversorgung der Einkommensbezieher, die wegen des Handikaps geringer Familieneinkommen besonders verletzlich sind. Aber auch bei der Nachfrage nach bezahlbarem Wohnraum dürften ohne wohnungspolitische Interventionen erhebliche Engpässe entstehen.

 

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Aus der angeregten Diskussion im Ortsverband mit vielen Meinungsbeiträgen hat die Montagsrunde eine Beschlussvorlage für den Ortsverband gefertigt. Die vorgeschlagenen Maßnahmen wurden dann jedoch wegen der Mehrheitsmeinung im Ortsverband nicht mehr zur Abstimmung gestellt.

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Für mehr Anstrengungen zur Schaffung sozialen und bezahlbaren Wohnraums in Neu-Isenburg.

 

 

Steigende Wohnraummieten sowie ein nicht befriedigter Bedarf an öffentlich geförderten Wohnungen und ein für die Bezieher von Durchschnittseinkommen unzureichendes Angebot an bezahlbaren Wohnraum kennzeichnen den Wohnungsmarkt auch in Neu-Isenburg.

Das Institut für Wohnen und Umwelt in Darmstadt hat die Wohnraumlage im Kreis Offenbach im Jahre 2018 untersucht und festgestellt, dass der Wohnungsneubau im Kreis mindestens 1000 fertiggestellte Wohnungen im Jahr bis zum Jahre 2030 wegen der steigenden Bevölkerung betragen muss. Diese Herausforderung ist einerseits nur durch Anstrengungen aller Kommunen im Kreis zu stemmen, andererseits führt dieser enorme Bedarf an Wohnungen schon jetzt und künftig aller Voraussicht nach ansteigend zu einem Druck auf den Wohnungsmarkt, der sich in höheren Erstellungskosten für Wohnraum, knappem Bauland und im Verein mit entsprechenden Renditeerwartungen in steigenden Mieten bei freifinanziertem Wohnraum und teilweise Verfall angemessener Qualitätsstandards ausdrückt. Angesichts dieser Sachlage ist der Ortsverband der Auffassung, dass es der Markt alleine nicht richten wird. Der Ortsverband adressiert an die Politik die Einleitung von Maßnahmen, diesem sich abzeichnenden Wohnungsnotstand durch kurzfristige, mittelfristige und langfristige Strategien zu begegnen.



Kurzfristige Maßnahmen

Herbeiführung eines Konsenses zwischen allen in der Stadtverordnetenversammlung vertretenen Parteien: Erhaltung des Bestandes öffentlich geförderter Wohnungen und der bestehenden Belegungsrechte der Stadt bei Wohnungen per heute.

 

Dieser Konsens ist wesentlich für die Erhaltung des Vertrauens der Bevölkerung an Zugang zu bezahlbarem Wohnraum. Der hohe Bestand an öffentlich geförderten Wohnraum in Neu-Isenburg und an Belegungsrechten der Stadt – derzeit etwa 4% aller Wohnungen im Stadtgebiet- wird wegen des Auslaufens der Bindungsfristen im Bereich des öffentlich geförderten Wohnraums bis zum Jahre 2030 abnehmen und bei den Belegungsrechten aller Voraussicht nach gleich bleiben. Dies würde den Anteil auf knapp 3% drücken. Bei dieser Sachlage würde ein Konsens aller Parteien ein gewichtiges Signal an die stadteigene GeWoBau – sie hält die meisten einschlägigen Wohnungen – bedeuten, ihre Geschäftspolitik auf diesen Konsens auszurichten und diese Geschäftspolitik unabhängig von politischen Mehrheiten zu verfolgen. Die Erfahrung der letzten 25 Jahre hat gezeigt, dass Wohnraumförderung langen Atem haben muss und eine politische Flankierung braucht.


 

Förderung der Nachverdichtung im Gebäudebestand nach klaren Leitlinien und Anlegen eines Wohnraumkatasters.

Ratgeber für Vermieter auf die gesetzliche Lage etwa zur Entrichtung des Mietzinses an die Bezieher von staatlichen Transfereinkommen mit Wohnberechtigungsschein.

Förderung des Wohnungstausches für alle, die zu groß gewordene Wohnungen im öffentlich geförderten Bestand freimachen für Bedarfssuchende. Zu fairen Bedingungen, Anreize schaffen, Umsetzung begleiten.

Für die drei zuletzt genannten Maßnahmen schlagen wir die Errichtung einer Arbeitsgruppe in der Verwaltung in Permanenz vor. Sie soll Hilfestellungen nach dem Prinzip des „One stop government“  (d.h. „Alles aus einer Hand“-Dienstleistung der Verwaltung) für Anbieter und Nachfragende anbieten. Wir gehen davon aus, dass sich bereits andere Gemeinden mit diesen Strategien beschäftigt haben. Soweit erfolgreich können diese Steuerungen auch in Neu-Isenburg übernommen werden, Anlaufschwierigkeiten könnten so vermieden werden. An diesen Maßnahmen sollten auch alle Akteure im gebotenen Maße beteiligt werden, die zum Erfolg der Maßnahmen beitragen können.

Mittelfristige Maßnahmen

Einrichtung eines Mietspiegels für Neu-Isenburg, Gravenbruch und Zeppelinheim.

 

Durch einen Mietspiegel dürfte das ungehinderte Ansteigen der Mieten der frei finanzierten Wohnungen zumindest gemäßigt werden. Dies bedeutet einen praktischen Schutz vor übermäßige Mietzinssteigerungen, die keinen Zugang zu öffentlich gefördertem Wohnraum haben und doch wegen ihres Einkommens und ihrer Vermögenslage auf das Anmieten von Wohnraum im Stadtgebiet angewiesen sind.


 

Förderung des Neubaus öffentlich geförderter Wohnungen.

 

Die Neuerrichtung öffentlich-geförderter Wohnungen ist in Neu-Isenburg in den letzten 10 Jahren auf weit unter 10 in einem Jahr gesunken. Dies wird dem Bedarf bei derzeit etwa 170 ausgestellten Wohnberechtigungsscheinen für Haushalte jährlich allein in Neu-Isenburg nicht gerecht, zumal davon nur etwa 50 bis 55 Berechtigte jährlich Zugang zu öffentlich gefördertem Wohnraum in Neu-Isenburg erhalten. Die Stadt darf vor dieser Not nicht die Augen verschließen! Und um es gleich deutlich zu sagen: Es sind nicht nur Sozialhilfeempfänger, die öffentlich geförderte Wohnungen belegen. Es sind mehrheitlich Menschen mit niedrigem Arbeitseinkommen oberhalb der Einkommensgrenzen, die zum Bezug von Hartz IV oder Grundsicherung berechtigen.


 

Entwurf eines Leitbildes „Wohnen in Neu-Isenburg“.

 

Die Stadt stellt ihre Maßnahmen zur Förderung des Wohnungsbaus in Neu-Isenburg in einem Text vor. Ziel ist der harmonische Dreiklang: Information, Aufklärung, Vertrauen schaffen. In diesem Zusammenhang wird auf die Bewerbung der Stadt Neu-Isenburg vom Mai 2019 zur Teilnahme  am Modellprojekt „Smart Cities in Germany“ verwiesen. Das Projekt konkretisiert die Grundsätze der „Leipzig Charta zur nachhaltigen europäischen Stadt“ vom Mai 2007. Die Charta sieht als Teilziel eine gut konzipierte soziale Wohnraumpolitik vor.


Langfristige Maßnahmen

Bodenpolitik und Ausübung des städtischen Vorkaufsrechts bei Eigentümerwechsel von Grundstücken in geeigneten Fällen.

 

Die Stadt vergibt aus ihrem Grundstücksbestand nur noch Grundstücke in Erbpacht. Dies hat zum Ziel, bei Auslaufen der Erbpacht, mag sie auch langfristig vergeben sein, die Verfügung über Grundstücke wieder zu erhalten, etwa zur Realisierung städtebaulicher Ziele. Auf die erfolgreiche Bodenbevorratung der Stadt Wien/Österreich – viel besprochen – wird verwiesen. Das Vorkaufsrecht wird bei strategischen Grundstücken ausgeübt. Hierzu ist freilich Voraussetzung, dass sich die Verwaltung über entsprechende Ziele klar wird. Auf die Ausführungen zum „Leitbild“ wird verwiesen.

 

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Der Ortsverband hat den Geschäftsführer der GEWOBAU Herrn Burbach eingeladen und sich informiert.

Über den Bestand an öffentlich geförderten Wohnraum in Neu-Isenburg konnte im Ergebnis keine Einigkeit erzielt werden.

Nach den Angaben des Geschäftsführers habe die GEWOBAU insgesamt 2.600 Wohnungen. Heute seien rund 1000 Wohnungen öffentlich gefördert bzw. hätten eine Mietpreis- und Belegungsbindung. Weitere rund 50 Wohnungen hätten eine Belegungsbindung.

Nach unseren Recherchen sind im Gesamtbestand der GEWOBAU lediglich rund 505 Wohnungen gefördert (Erster und Zweiter Förderweg). Bei weiteren 542 Wohnungen liegen die sogenannten Belegungsrechte bei der Stadt Neu-Isenburg. Diese Wohnungen sind aber frei finanziert, d.h. sie haben keine Kostenmiete wie bei sozial gefördertem Wohnraum, sondern eine Marktmiete, wahrscheinlich am unteren Skalenende.

Einigkeit besteht darüber:

Die Gewobau hat seit den 90er Jahren keine Sozialbauwohnungen in nennenswertem Umfang errichtet.

Die Stadt Neu-Isenburg hat wegen der auslaufenden Fristen die Belegungsrechte für 74 Wohnungen gekauft mit der erklärten Absicht, die Belegungsrechte für weiter 234 Wohnungen noch zu erwerben.

Am 08.10. hat die Montagsrunde dem Ortsverband ein weiteres Thesenpapier zugeleitet.

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Eine Stadt für Alle

 

Die Montagsrunde nimmt mit den folgenden Ausführungen zur wohnungspolitischen Lage in Neu-Isenburg Stellung und bezieht sich dabei auf die bereits dem Ortsverband Neu-Isenburg bekannten Materialien.

Sachstand

Der Vorstand bewertet das Gesprächsergebnis mit Herrn Burbach dahingehend, dass in einer Zusammenarbeit der Stadt mit der GewoBau eine gute Chance bestehe, für Neu-Isenburg weiterhin die Spitzenposition im Kreis bei gefördertem Wohnraum zu erhalten. Es werde mehr Wirkung durch die bereits ins Werk gesetzten Bestandsverlängerungen erzielt als durch einen unverhältnismäßig teuren Neubau wegen der Nähe zu Frankfurt (E-Mail Günther Marx vom 27.09.2019 bei der Übersendung des Protokolls).

Bewertung der Diskussion durch die MR.

Wir verweisen auf unser Thesenpapier vom April 2019. Darin haben wir einen erheblich höheren Bedarf an Sozialwohnungen und Mittelstandswohnungen (d.h. bezahlbarer Wohnraum) auch auf Grundlage des IWU-Berichts vom 22.10.2018 dargestellt als durch die gewiss wünschenswerte Bestandssicherung nun erfolgt. Das Argument, mit einer Bestandssicherung erfolge Abhilfe, bleibt auf halbem Wege stehen. Die Bestandssicherung deckt nicht den gestiegenen Bedarf. Die Förderungsverlängerung für Bestandswohnungen dieses Typs wird zudem weitgehend aus den Mitteln der Zweckentfremdungsabgabe finanziert, beruht also auf einer Querfinanzierung durch die Mieter, also bedeutet sie keinen eigenen Aufwand der Stadt und die GewoBau. Dieser ist noch gar nicht aufgerufen.

 Für uns ist deswegen die Diskussion noch nicht zu Ende. Wir sind der Auffassung, dass sie nun nach der Veranstaltung mit Herrn Burbach weitergeführt werden sollte. Für die Montagsrunde schließen sich folgende Überlegungen an.

Kann sich die Gewobau noch gemeinnützig nennen?

Wir stellen fest, dass die GewoBau GmbH – zu 97% ist die Stadt Gesellschafter - seit etwa 30 Jahren keine nennenswerte Erhöhung ihres Bestandes an Sozialwohnungen durchgeführt hat. Es stellt sich auch die Frage, ob die GewoBau sich mit der Erstellung von Eigentumswohnungen und Reihenhäuser befassen sollte. Sollte sie sich nicht vornehmlich der Erstellung von Mittelstandswohnungen und sozialem Wohnraum zuwenden?

Die Bestandserhöhung im Birkengewann (etwa 160 Wohnungen) und die avisierte im Stadtquartier Süd (etwa 200) schafft bei einer Quadratmetermiete von 12 € und darüber keine Wohnungen dieses Typs. Am Wohnungsbestand der GewoBau wird der Bestand an Sozialwohnungen und Mittelstandswohnungen insgesamt zumindest prozentual sinken.

>Rund 17 % der Haushalte verwendeten 40% ihres monatlichen Einkommens für Mietkosten< (Statistisches Jahrbuch Deutschland 2018, Seite 163)

Herr Burbach ist aus kaufmännischer Sicht der Meinung, der soziale Wohnungsbau rechne sich wegen der gestiegenen Kosten nicht mehr. Die Inanspruchnahme von Förderungsmitteln sei wegen der niedrigen Marktzinsen nicht mehr attraktiv.

Kann sich daher die GewoBau noch gemeinnützig im allgemeinen Sprachgebrauch nennen?

Welche Gründe stehen nach Auffassung von Herrn Burbach der Erstellung von Sozialwohnungen und Mittelstandswohnungen zu erschwinglichen Preisen entgegen?

Die Lage könnte neu bewertet werden, wenn die Stadt der GewoBau günstigere Grundstücke anbieten würde. (Spannungsbogen: Verfügbarkeit von Grundstücken? Ist nicht der kommunale Bestand längst ausverkauft).

Hilfreich wäre eine Befreiung von der Stellplatzsatzung für Wohnungen dieses Typs (Spannungsbogen.: Problematische Schaffung von Ausnahmen? Anderweitige kreative Lösungen etwa durch Quartiersgaragen? Oder vertragliche Vereinbarung für autobesitzende Mieter? Gibt es Beispiele in anderen hessischen Kommunen?)

Möglichkeit einer standardisierten Bebauung für Wohnungen dieses Typs. (Spannungsbogen: Heißt das Verzicht auf energetisches Bauen? Wäre nicht die Einbeziehung von Holzhäusern erwägenswert? Gibt es einen Markt dafür. Beispiele in den Niederlanden).

Mehr Spielraum bei einer preisgünstigen Erstellung (Spannungsbogen: Wellpappe versus Luxus, ist das der Weisheit letzter Schluss?)

Erhöhung des Eigenkapitals der GewoBau GmbH (Spannungsbogen: Mehr Handlungsfreiheit versus sparsame Verwendung öffentlicher Mittel? Hilfreiche Zusatzüberlegung: Die einzusetzenden Haushaltsmittel führen zur Vermögensbildung bei der GmbH, folglich zu Werterhöhung des Gesellschaftsanteils der Stadt).

Frage: Gibt es noch weitere Stellschrauben für eine Wohnungspolitik für Alle? Zu erwägen wären Zuschüsse der Stadt, also direkte Subventionen für die Erstellung von Wohnraum? Grundstücksbeschaffung durch die Ausübung des Vorkaufsrechts durch die Stadt?

Schlussfolgerungen

Die Stadt ist in der Pflicht. Welche der oben angeführten Stellschrauben müssen verändert werden, damit für den steigenden Bedarf Sozialwohnungen und Mittelstandwohnungen entstehen.

Die GewoBau GmbH -marktorientiert-, und die Stadt -verpflichtet auf das Wohlergehen ihrer BürgerInnen- sollten diesen Zweck verfolgen. Es ist Eile wegen der abnehmenden Verfügbarkeit von Grundstücken geboten.

Die GewoBau GmbH sollte die erheblichen Gewinne, welche sie durch die Erstellung und Vermarktung von Eigentumswohnungen und Reihenhäuser erzielt, für den bezahlbaren Wohnraum verwenden

(Wir verweisen auf entsprechenden Überlegungen in der Stadt Frankfurt am Main zur 10% Querfinanzierung der ABG Holding aus entsprechenden Erlösen. Die entsprechenden Beträge für Neu-Isenburg könnte die Fraktion in Erfahrung bringen).

 

 

Nachträglich wurde bekannt, dass bei dem Verkauf des Geländes des „Bundesbranntweinmonopols“ auf dem Areal des Bebauungsplans Nr.55 „Stadtquartier Süd“ die veräußernde „Bundesanstalt für Immobilienaufgaben“  der Stadt Neu-Isenburg die Möglichkeit eingeräumt hat, den Kaufpreis um 2 Millionen Euro zu ermäßigen, wenn von den geplanten 320 Wohnungen auf diesem Gelände 80 Wohnungen als sozialer

Wohnraum errichtet würden.

Diese Chance, den Kaufpreis zu ermäßigen, hat die Stadt Neu-Isenburg nicht wahrgenommen. Es fehlt in der Stadt an politischem Willen, sozialen Wohnungsbau umzusetzen.

 

 

Daher hat die Montagsrunde gegen den ausgelegten Bebauunsplan Nr.55 Einwendungen erhoben. Es wird gerügt, dass auf dem Gelände kein sozialer Wohnraum errichtet wird.

Einwendung gegen die Festsetzungen im Bebauungsplan Nr. 55

Stadtquartier Süd

 

Sehr geehrte Damen und Herren,

die Montagsrunde Neu-Isenburg, für die ich zeichne, erhebt Einwendungen gegen den Bebauungsplan Nr. 55, der vom 11.10.d.J. bis zum 22.11.2019 im Rathaus Neu-Isenburg ausgelegt ist und mithin innerhalb der Auslegungsfrist.

Im o.b. Bebauungsplan fehlen unseres Erachtens Festsetzungen zur Förderung sozialer Wohnraumförderung unter den Festsetzungen zu § 9 Abs. 1 Baugesetzbuch. Insoweit leidet der ausgelegte Bebauungsplan unter einem Abwägungsmangel. Der Bebauungsplan ist zu ergänzen und zwar in einem Maße, das wir einer entsprechenden Beschlussfassung der Stadtverordnetenversammlung überlassen.

Wir beziehen uns auf § 9 Abs. 7 Baugesetzbuch. Darin heißt es:

„Im Bebauungsplan können aus städtebaulichen Gründen festgesetzt werden…

(Nr. 7) die Flächen, auf denen ganz oder teilweise nur Wohngebäude, die mit den Mitteln der sozialen Wohnraumförderung gefördert werden könnten, errichtet werden.“

Unseres Erachtens besteht derzeit in dem o.b. Bebauungsplan ein völliger Ermessensausfall, weil die gebotene Abwägung i.S.d. § 9 Abs. 7 bislang nicht erfolgt ist.

Wir beantragen im Bebauungsplan Nr.55 Flächen für Wohngebäude auszuweisen, in denen ganz oder teilweise soziale Wohnraumförderung erfolgt.

Zur Begründung im Näheren führen wir aus, dass es sich bei dem Stadtquartier Süd um das letzte zusammenhängende Baugebiet der Stadt Neu-Isenburg handelt. Dabei lassen wir eine Erörterung der Möglichkeiten im „Kalbskopf“ außer Betracht. Die planerische Bewältigung eines entsprechenden Bebauungsplans ist nicht in Sicht. Wenn die folglich die Stadt Neu-Isenburg sozialen Wohnraum in nennenswertem Umfang und nicht nur einzelfallweise fördern will, ist im „Stadtquartier Süd“ dies die vorläufig letzte Gelegenheit.

Es gibt auch einen unabweisbaren Bedarf an sozialer Wohnraumförderung in Neu-Isenburg.

In den letzten Jahren ist zum Beispiel die Erteilung von Wohnberechtigungsscheinen an Wohnungssuchende immer weiter angestiegen. Etwa 170 Wohnungsberechtigungsscheine sind allein im Jahre 2017 ausgegeben worden. Wegen der Knappheit von sozial gefördertem Wohnraum erhalten hiervon derzeit jährlich nur etwa 50 Wohnungssuchende Zugang zu sozialem Wohnraum. Mithin wird der nicht befriedigte Bedarf aus den vorvergangenen Jahren immer weiter mitgeschleppt. Folglich wird die Schlange der Wohnungssuchenden immer länger.

Abhilfe kann dem auch nicht das Bemühen der Stadt Neu-Isenburg schaffen, durch Verlängerung der bestehenden Bindungsfristen bestehenden sozialen Wohnraums wenigstens den im Vergleich mit den anderen Kommunen des Kreises Offenbach nicht unbeachtlichen Bestand an sozialen Wohnraum zu sichern. Dies führt nicht dazu, den ansteigenden Bedarf an entsprechenden Wohnungen zu befriedigen. Es stellt eine Notmaßnahme dar, das ansonsten unaufhaltsame Abschmelzen des Bestandes auf dem nicht genügenden Niveau zu stabilisieren.

Die unseres Erachtens stiefmütterliche Behandlung der Versorgung der Bevölkerung mit sozialem Wohnraum in Neu-Isenburg wird besonders deutlich, wenn man bedenkt, dass die stadteigene gemeinnützige Wohnungsbaugesellschaft GEWOBAU seit etwa 30 Jahren in nennenswertem Umfang keine sozial geförderten Wohnungen errichtet hat. Stattdessen werden von der GEWOBAU in erheblichen Umfang Eigentumswohnungen und Reihenhäuser erstellt, zuletzt im „Birkengewann“. Es ist höchste Zeit, dass die Stadt sich wieder – auch über die mehrheitlich stadteigene GEWOBAU – gemeinnützigen Zielen widmet.

Im Bebauungsplan Nr. 55 ist aus den vorgenannten Gründen das planerische Ziel, ein ausgewogenes Verhältnis zwischen freifinanziertem Wohnraum und sozialer Wohnraumförderung zu schaffen, misslungen. Er ist in Bezug um Flächen, auf denen soziale Wohnraumförderung stattfindet, zu ergänzen.

Montagsrunde, 12.11.2019